Es war ein lauschiger Frühsommer-Abend in einem Palais auf der Freyung. Der talentierte Mr. Benko hatte eine Runde Journalisten zu einem Hintergrundgespräch geladen. Er war damals Anfang 30 und ein aufsteigender Stern am Immobilienhimmel. Das Goldene Quartier war noch nicht gebaut, es war lange vor Karstadt oder Kika oder dem Kauf der "Krone"-Anteile. Der Tiroler Sunnyboy sollte Medienerfahrung sammeln und dem Establishment in der Bundeshauptstadt vorgestellt werden, und dazu hatte man alle prominenten Medien eingeladen, vom ORF über die Presse bis zur Kronenzeitung.
Präsentiert wurde "der Rene" von zwei "Elder Statesmen", die damals als seine wichtigsten Berater galten. Der frühere Bank-Austria-Chef Karl Samstag schaute darauf, dass Rene Benko keine Fehler macht und bei den Finanzierungen alles passte. Ex-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer half bei der Anbahnung von Kontakten, z. B. beim Bau-Tycoon Hanspeter Haselsteiner, wo "Gusi" im Aufsichtsrat der Strabag saß. HPH, wie man den Strabag-Großaktionär und Multi-Unternehmer nennt, wurde schließlich einer der größten Financiers von Benkos Signa-Gruppe.
An jenem Abend ging es darum, Sympathiepunkte zu sammeln bei den wichtigen Medien. Das gelang durchaus, denn in den folgenden Jahren wurde der Aufstieg der Signa zu einem Immobilien-Riesen in Österreich und Deutschland überall öffentlich abgefeiert. Da brauchte es auch keine Hintergrundgespräche im kleinen Kreis mehr, sondern man kochte beim "Törggelen" (ab 2010 jeweils im November) gleich die halbe Republik ein, von Sebastian Kurz abwärts die wichtigsten Politiker und dazu Wirtschaftsbosse und Verlagseigentümer.
Die Immobilien-Projekte der Signa waren auch deswegen so erfolgreich, weil in diesen Zeiten die Preise für Liegenschaften in guten Lagen explosionsartig in die Höhe schossen. Doch der rasche Erfolg blendete den jungen Mann. Offenbar überzeugte nun er die Berater davon, dass er schon wisse, wie es geht. In den folgenden Jahren machte Benko jedoch fünf schwere Fehler.
Der erste Fehler: 2014 erwarb Benko die marode deutsche Kaufhauskette Karstadt. Seine Überlegung war simpel: Er bekommt dutzende wertvolle Immobilien in innerstädtischen Lagen zu einem Spottpreis. Für das defizitäre Handelsgeschäft mit tausenden Mitarbeitern holt man sich externe Sanierer. Wenn diese scheitern, sperrt man halt zu und profitiert von der ständigen Wertsteigerung der teuren Immobilien.
Von diesem Konzept war er so überzeugt, dass er es gleich noch zweimal wiederholte: Er nahm 2017 zu Karstadt auch noch Kaufhof dazu und fusionierte die zwei schwächelnden Shopping-Methusalems. In Österreich probierte er das gleiche mit der angeschlagenen Kika/Leiner-Gruppe, obwohl man da einwerfen muss, dass es dort ohne den Verkauf an Signa wohl schon früher eine Insolvenz gegeben hätte. Die Handels-Sparte entwickelte sich jedoch bald zu einem Klotz am Bein der Signa. Statt erfolgreicher Sanierung sorgten die Corona-Schließungen für den ersten Super-GAU. Nur Steuergeld verhinderte in Deutschland und Österreich das sofortige Aus und den Verlust tausender Arbeitsplätze.
Doch das alles kann man sich leisten, wenn man ein wertvolles Immobilien-Portfolio besitzt, das mittlerweile über ganz Europa verstreut ist. Möglich machten es die vermögenden Promi-Investoren, die reihenweise auf Benko hineinfielen. Die Herren Milliardäre musste man bei Laune halten, am besten durch gigantische Ausschüttungen, mit denen man sie anfangs verwöhnte. Doch die gab der Markt bald nicht mehr her, die Zeit der automatischen Wertsteigerungen ging zu Ende.
Der zweite Fehler: Daher griff Benko zum ältesten Trick der Immobilien-Welt: Er wertete seine Liegenschaften jedes Jahr auf, um hohe Mieten zu verlangen und die hohen Dividenden darstellen zu können. Spätestens jetzt hätten bei einigen die Alarmglocken schrillen müssen. Doch nur der frühere Porsche-Chef Wendelin Wiedeking erkannte die Zeichen der Zeit und stieg 2016 bei der Signa aus. Andere schossen noch immer frisches Kapital ein, um die Abenteuer des mittlerweile übermütig gewordenen Jungkapitalisten, den das "Forbes"-Magazin vor kurzem noch auf ein Vermögen von mehr als fünf Milliarden Euro schätzte, zu finanzieren.
Der dritte Fehler: Dass er in dieser Situation noch einmal in den gleichen Irrtum verfiel, sich in einer Branche zu engagieren, von der er nichts verstand, kann nur durch Größenwahn erklärt werden: Der Kauf von Anteilen an Krone und Kurier war zwar finanziell für ihn ein Klacks, verärgerte aber vor allem die Familie Dichand, die sich publizistisch gegen eine mögliche Übernahme wehrte. Das beschleunigte den Imagewandel vom Tiroler Sunnyboy zum brutalen Immobilien-Jongleur, der vor nichts zurückschreckt, solange er seine Macht ausbauen kann. Von seinen angeblich besonnenen Beratern, die ihn zu Beginn seiner Karriere noch vor Torheiten bewahren sollten, war nichts Konstruktives mehr zu sehen und zu hören. Vielleicht waren auch sie vom Glanz des Geldes geblendet, denn auch die Beraterhonorare waren bei Benko immer siebenstellig.
Der vierte Fehler: Auch Transparenz war offenbar zum Fremdwort geworden. Das Immobilienreich war inzwischen in eine Dimension gewachsen (finanziert durch Kredite und Geld der Gesellschafter), die von außen nicht mehr durchschaubar war. Hunderte selbständige Firmen, darüber Holdings- und Zwischenholdings, darüber als "Mutter"die Signa, die neben der Benko-Stiftung noch andere vermögende Miteigentümer hatte. Unvorstellbar, dass so ein Konglomerat keine konsolidierten Bilanzen legte. Selbst die hochbezahlten Top-Manager wussten offenbar nicht mehr, wie es finanziell wirklich aussah. Die Banken wurden unruhig, es gab erste Gerüchte über Risse im Imperium, dessen Immobilienwerte auf der eigenen Homepage einst mit "27 Milliarden Euro" beziffert wurden. Ob es stimmt, dass nur mehr Rene Benko selber den Überblick hatte, wird man wohl nie mehr verifizieren können.
Der fünfte Fehler: Das war sein Versagen im Krisenmanagement. Trotz der großen Liquiditätsprobleme, die durch die hohen Kredite, die gestiegenen Zinsen und notwendige Abwertungen des Portfolios entstanden sind, gehören der Signa immer noch Luxusimmobilien in ganz Europa, die einen beträchtlichen Wert darstellen. Die superreichen Mitgesellschafter aus der Schweiz, Deutschland, Österreich und Brasilien hätten es locker in der Hand gehabt, die weitere Finanzierung zu sichern und eine Konsolidierung aus eigener Kraft zu ermöglichen. Doch Benko hat es mit seinem egomanischen Verhalten geschafft, sie so zu verärgern, dass sie sich gegen ihn wandten und zu keinen Geldspritzen mehr bereit waren. Das führte unvermeidlich zu Insolvenzen wegen mangelnder Liquidität. Demnächst beginnt der große Abverkauf: Jeder, der Geld in die Signa gesteckt hat wird versuchen, sich sein Stück des wertvollen Immobilienkuchens zu sichern. Dazu wird eine Flut von Klagen kommen, die zu jahrelangen Prozessen führen wird. Der inzwischen 46-jährige Tiroler Firmengründer wird starke Nerven und gute Anwälte brauchen, um nicht mental und finanziell völlig zerrieben zu werden.
Sehr schöne Zusammenfassung der (vermeidbaren) Ursachen dieser Mega-Pleite, die leider massiv Vermögenswerte (nicht nur in Österreich) vernichten wird. Dabei hat Signa - im Gegensatz zu anderen Bauträgern - meist architektonisch hochwertig gebaut und Werte geschaffen. Verantwortlich sind die Eigentümer und Kapitalgeber im Hintergrund. Diese hätten rechtzeitig das Geschäftsmodell hinterfragen müssen.