Es ist eine Gretchenfrage: Was müssen Politiker eigentlich können, um ein gewisses Amt nicht nur zu bekleiden, sondern auch sinnvoll ausführen zu können? Kann jeder den Finanzminister machen? Darf ein Nicht-Akademiker als Wissenschaftsminister für die Universitäten verantwortlich sein? Eine oft von den Parteien gegebene Antwort lautet, dass ein Minister "nur" ein politisch Verantwortlicher ist. Für das Fachwissen habe er Sektionschefs und leitende Beamte, die in Österreich in der Regel nicht bei einem Regierungswechsel ausgetauscht werden, wie das in anderen Ländern vorkommt.

Wieviel Ahnung von der Materie muss ein Fachminister haben?
Möglicherweise reicht es für einen Kulturminister, dass er gern ins Theater geht. Auch die Besetzung des Verteidigungs-Ressorts erfolgte in der Vergangenheit eher nach dem Motte "Wo bringe ich den Vertreter des Bundeslandes XY am besten unter?". Etwas ganz anderes sind heikle Aufgaben in Fachressorts wie etwa jene des Finanzministers. Da wäre es mehr als fatal, diesen Posten mit jemandem zu besetzen, dem grundlegende Kompetenzen fehlen. Oft landeten dort frühere Top-Manager aus der Privatwirtschaft, die mit Budgets, Bilanzen, Kosten etc. schon große Erfahrungen gemacht haben. Das galt z. B. aus der SPÖ für Franz Vranitzky (Ex-Bank-Chef) oder Viktor Klima (Ex-OMV-Manager). Die ÖVP, die in den letzten 20 Jahren immer den Finanzminister stellt, holte für diesen Job z. B. Hansjörg Schelling (Ex-Vorstand bei XXXLutz), Hartwig Löger war im Vorstand der Uniqa Österreich, Magnus Brunner immerhin etliche Jahre im Management der Ökostrom AG. Karlheinz Grasser als einziger FPÖ-Mann auf dieser Position war kurz bei Frank Stronachs Magna-Konzern tätig. Doch er war zumindest so clever, sich eng an die - gerade im Finanzministerium hoch kompetenten - Sektionschefs zu binden, sodass ihm keine fachlichen Fehler unterliefen.
Der zwölfte Finanzminister seit 2001 tritt seit Amt an
Man hat auf diesem Posten auch schon viele Berufspolitiker gesehen, die davor noch nie in ihrem Leben in einem Unternehmen gearbeitet hatten. Meist blieben sie nur kurz im Amt, denn die Fluktuation war auf keinem anderen Ministeramt so groß: Entweder weil die jeweilige Regierung nicht lange hielt oder weil die Betroffenen einen Karrieresprung machten, entweder aus der Politik hinaus oder (kurz) an die Spitze der Partei. Seit 2001 gab es bereits elf (!) verschiedene Finanzminister (darunter auch zwei Beamte für Übergangsregierungen). Der zwölfte kommt mit Markus Marterbauer erstmals wieder aus der SPÖ. Auch er hat keinerlei Erfahrung aus der Privatwirtschaft. Dass er als Experte in der Arbeiterkammer seit Jahren eher seltsame radikal linke Thesen zu Finanzthemen propagierte (z. B. Budgetsanierung durch Steuererhöhungen) macht ihn zu einem potenziellen Sprengmeister für die Koalition mit ÖVP und Neos, die so wie die meisten Experten in Österreich vor allem ein Ausgabenproblem sehen.
Darauf scheint man bei der Regierungsbildung auf dem Altar der Kompromisse vergessen zu haben. Denn einen Sparkurs zu verkünden, gleichzeitig aber das Regierungsteam mit sieben (!) Staatssekretären aufzublasen, bringt gleich einmal ein dickes Minus bei den Wählern. Für deren Kompetenz gilt nicht einmal das, was man Berufspolitikern als Minister zugute halten kann - sie dürfen nämlich nichts entscheiden. Staatssekretäre brauchen natürlich ein Büro mit Personal, Pressesprecher, Dienstautos usw. Man hat den Eindruck, dass es hier vor allem darum geht, parteipolitisch zu punkten und in manchen Ressorts "Aufpasser" einzusetzen. Das lief etwa zuletzt unter Türkis-Grün bei Magnus Brunner ordentlich schief, der im Gewessler-Ministerium als Staatssekretär völlig in der Luft hing.
Ausnahmen bestätigten in der Vergangenheit die Regel: Es gab schon Staatssekretäre/innen, die gute Arbeit machten und eine Hilfe in großen Ressorts waren wie etwa einst Johannes Ditz im Finanzministerium oder zuletzt Susanne Kraus-Winkler für den Tourismus im Wirtschaftsministerium. Doch an die meisten kann sich sowieso niemand mehr erinnern. Das hat gute Gründe.
Das Politkarussell bei Postenbesetzungen hat ein Schema
Zurück zu den Minister-Besetzungen: Hier kommen (wie auch jetzt) meist die diversen Teil-Organisationen der Parteien zum Zug. Wirtschaftsbund bzw. Kammer dürfen das Wirtschaftsministerium haben, die Gewerkschaft das Sozialministerium. Extrem schlechte Erfahrungen machte man schon oft damit, wenn es sein musste, "jemanden aus den Ländern" mit einem Ministeramt zu beglücken. Da fehlte es dann nicht nur an Fachwissen, sondern auch politisch war es eine Nummer zu groß für so manche Kandidaten. Diesmal gelang es der SPÖ zwar, mit Peter Hanke ein "Schwergewicht" mit langjähriger Polit-Erfahrung als Finanzstadtrat in Wien und davor als Manager der Wiener Holding in die Regierung zu holen. Aber dass er "nur" Infrastrukturminister werden durfte (dem Ressort wurden im Vergleich zu Türkis-Grün etliche Kompetenzen genommen wie z. B. Energie), ist kein Geniestreich der zerstrittenen Babler-SPÖ. Dass die Partei-Chefin der Neos sich zur Außenministerin berufen fühlt, verwundert ebenfalls (Vorgänger Alexander Schallenberg ist Berufsdiplomat). Als zuständige für die Wissenschaft und damit die Universitäten folgt auf die Professoren Fassmann und Polaschek nun eine 31-jährige Oberösterreicherin, die gerade einmal einen Bachelor-Abschluss vorzuweisen hat.
In der Zeit, als erfolglos über die Bildung einer neuen Regierung verhandelt wurde, plädierten einige dafür, doch ein "Expertenkabinett" aus parteifernen Fachleuten einzusetzen. Das klingt theoretisch gut, ist aber realpolitisch sinnlos. Denn ob kompetent oder nicht, die Entscheidungen fällen Personen der Regierungsparteien. Wenn diese auch ein entsprechendes Fachwissen haben sollten, steigt die Chance auf konstruktive Arbeit. Da bleibt noch eine Menge Luft nach oben. Im anderen Fall bleibt zumindest der Trost, dass man jetzt einmal den "Volkskanzler" Kickl und seine seltsamen Ideen verhindert hat. Denn wir sehen jeden Tag, wie wichtig in Zeiten wie diesen europäische Solidarität ist.
Comments