Die Ausgangslage ist immer die gleiche. Eine Wahl steht vor der Tür. Spin-Doktoren, Berater und das Team um die zu wählende Person oder Partei stecken die Köpfe zusammen, bis es raucht. Zunächst geht es um die wirklich wichtigen Dinge: Ist der bzw. diejenige (die Fürwörter gelten hier für Männer und Frauen) fesch, tritt er gut auf, kann er gut reden, wirkt er sympathisch? Kann man das halbwegs mit Ja beantworten, geht man zu den Inhalten weiter. Aber halt: Leider ist es in Österreich üblich, dieses Thema zu überspringen und statt dessen gleich zu fragen "mit wem wollen sie koalieren und mit wem nicht?" Doch irgendwann geht es doch um die Pläne er für die Zukunft des Landes.
Raus aus dem Tal, rein in neues Wachstum, aber nicht nur bei uns
Österreich ist im Vorjahr in eine Rezession gerutscht, unsere Wirtschaft wächst nicht mehr. Wir brauchen daher eine "Wende". Vor kurzem las ich Sätze wie "Viele Menschen sagen, mir geht es persönlich zwar gut, aber die wirtschaftliche Perspektive des Landes ist schrecklich, solange wird sich die Stimmung nicht ändern." Oder "die Probleme liegen von Bürokratie bis Steuer auf der Hand". Jetzt folgt die Auflösung: Diese Worte fielen bei einem Gipfeltreffen deutscher Spitzenpolitiker mit Topmanagern ihres Landes. Auch was mögliche Lösungen betrifft (Deutschland, unser wichtigster Handelspartner, steckt ebenfalls in der Rezession), gibt es erstaunliche Parallelen: "Es könnte diskutiert werden, ob man ab der 35. Arbeitsstunde keine Steuern mehr zahlen muss," sagte der deutsche Siemens-Chef, der zu dem Zeitpunkt wohl kaum von Nehammers Vorschlag, Überstunden nicht mehr zu besteuern, gehört hatte. Dass es nicht funktionieren kann, "dauerhaft nur vier Tage zu arbeiten und davon die Hälfte im Home-Office", so der Boss von Bosch zum Thema Arbeitszeit. Der Mangel an Fachkräften und fehlende Digitalisierung sind da wie dort Schlagwörter, die man täglich hört.
Es geht immer ums Geld, daher immer um Wirtschaft & Konjunktur
All die erwähnten Punkte haben eines gemeinsam: Es geht immer (auch) um Fragen der Kosten und der Finanzierung, es sind daher alles in gewissem Sinne Wirtschaftsthemen. Die Antworten, die Politiker darauf geben, haben sich seit Generationen eigentlich nicht wirklich verändert: Sie versprechen Steuersenkungen, mehr netto vom Brutto, weniger Bürokratie, Anreize für Firmen und Beschäftigte, soziale Verbesserungen. Wenn man sich in Österreich die Regierungsprogramme der letzten Jahrzehnte ansieht, findet man gewisse Passagen jedes Mal erneut wieder, nur etwas anders formuliert.
Grund ist, dass viele Probleme gleich zu bleiben scheinen: Die Steuerquote ist bei uns mit 43% eine der höchsten in Europa. Regelmäßig haben Regierungen schon angekündigt, diese senken zu wollen. Auf "unter 40% bis 2010" wollte z. B. sie einst Wolfgang Schüssel senken. Sebastian Kurz sprach vom Ziel "maximal 40%". In Österreich pendelt die Steuerquote schon ewig um 43 - 44%. Es sind daher gewisse Zweifel angesagt, wenn die Nehammer-ÖVP jetzt erneut so eine Ankündigung macht. Fairerweise muss man dazusagen: Würde die Babler-SPÖ regieren, würde die Steuerquote wahrscheinlich wohl noch weiter ansteigen. Was unter einer FPÖ-Regierung passieren würde weiß kein Mensch, sie selber wohl auch nicht.
Warum viele Vorhaben nach den Wahlen scheitern
In der Realität sind die meisten Regierungen Ankündigungsriesen und Umsetzungszwerge. Die Gründe, warum Reformen nicht umgesetzt werden, sind stets die gleichen: Keine Einigung mit dem (den) Koalitionspartner(n), Widerstand der Länder oder der Sozialpartner, fehlende Finanzierung usw. Daher bleiben Reformen bei der Bildung, den Pensionen oder der Pflege Dauerbrenner auf der politischen Agenda. Das macht vielleicht nichts, denn - ganz ehrlich - mit Sachthemen kann man heutzutage ohnehin keine Wahl gewinnen. So gesehen spielt es auch nicht so eine große Rolle, ob wir Wachstum oder Rezession haben.
Es zählen gerade heute andere Kriterien: Gehen wir davon aus, dass es eine Mehrheit gibt, die politisch weder an den rechten noch an den linken Rand gedrängt werden will. Diese große Gruppe abzuholen und zu überzeugen, dass sie an der Urne für die gemäßigten Parteien stimmen. Das ist die wahre Herausforderung.
Wie kann das gelingen? Dazu fünf Voraussetzungen:
Eine Spitzenkandidat, der skandalfrei ist und keine Altlasten mitschleppt.
Ein Team für eine mögliche Regierung, dessen Mitglieder Kompetenz in verschiedenen Bereichen vermitteln, z. B. eine Kombination aus Quereinsteigern und Polit-Routiniers.
Paktfähigkeit mit wichtigen Gruppen wie Sozialpartnern, Ländern, Gemeinden
Internationale Erfahrung, vor allem in der EU ist unerlässlich. Statt Außenseiterpositionen einzunehmen muss ein kleines Land wie Österreich stets versuchen, Allianzen innerhalb der Gemeinschaft zu schmieden, um mit seinen Themen durchzukommen.
Glaubwürdigkeit vermitteln und nicht Positionen beziehen, die nach den Wahlen kaum haltbar sind.
Das klingt einfacher als es ist. Doch gelingt das nicht, öffnet man Tür und Tor für die Polit-Desperados unserer Zeit, von Orban über Kickl bis zur deutschen AfD und Donald Trump. Man darf hoffen, dass am Ende die politische Vernunft siegt. Mir klingen noch immer die Worte unseres geschätzten Bundespräsidenten im Ohr, der nach einem unserer klassischen Polit-Skandale voll Überzeugung gesagt hat: "Wir sind nicht so." Dieser Satz sollte auch nach den Wahlen 2024 noch Gültigkeit haben.
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