top of page

Wie in den USA die Demokratie stirbt

Autorenbild: manfredschumimanfredschumi


Wie in den USA die Demokratie stirbt

"Am schlimmsten sind die, die nicht einmal merken, dass sie sich nicht auskennen." Dieses Zitat stammt eigentlich von meinem früheren Mathematik-Professor im Gymnasium. Es war auf jene Schüler gemünzt, die nicht begreifen, dass sie den Lehrstoff nicht verstanden haben. Hier lässt sich eine treffende Parallele zur großen Politik ziehen: In den USA haben es die so genannten Eliten (in beiden Parteien) nicht verstanden, dass sie gerade von Donald Trump am Nasenring vorgeführt werden. Sie haben nicht verstanden, dass dieser Mann die (antiquierte) Verfassung aushebelt und wie ein Diktator am Parlament (Kongress) vorbei regiert und noch ausloten wird, wie weit er wirklich gehen kann.


Nahezu all seine Aktivitäten basieren nicht auf Beschlüssen der Abgeordneten, sondern auf "Dekreten". Er lässt den ebenfalls größenwahnsinnigen Milliardär Elon Musk fuhrwerken. Dessen Eingreiftruppe "Doge" („Department of Government Efficiency“) hat unter dem Mäntelchen des Bürokratieabbaus in Wahrheit das Ziel, in der gesamten Verwaltung des Staates tüchtige Beamten zu feuern und durch Trump-Gefolgsleute zu ersetzen. Schon 14 US-Behörden haben die Doge-Leute infiltriert. Die Klagswelle gegen dieses Vorgehen, das so nebenbei auch Zigtausende Jobs vernichtet, läuft. Doch spätestens wenn die Verfahren bei den Höchstgerichten landen, wird man merken, wer gewinnt: Denn Trump hat während seiner ersten Amtszeit dafür gesorgt, dass er drei (auf Lebenszeit ernannte) erzkonservative Richter in den Supreme Court gesetzt hat. Die sorgen für eine republikanische Mehrheit, die ihm vermutlich einen Freibrief gegen alle Gesetzesverstöße garantiert.


Das Höchstgericht wird Trump einen Freibrief ausstellen


Der erste Schritt geschah im Vorjahr, als das Oberste Gericht feststellte, dass ein amtierender Präsident quasi gegen jede Strafverfolgung immun ist, egal was er anstellt oder angestellt hat. Schritt für Schritt wird die Gewaltenteilung zwischen Legislative, Exekutive und Justiz von Trump ausgehöhlt. Die politischen Gegner und die möglicherweise noch irgendwo vorhandenen vernünftigen Kräfte in seiner republikanischen Partei sehen fast tatenlos zu, wie die Demokratie demontiert wird. Schon jetzt wird übrigens darüber spekuliert, dass man Trump eine weitere Amtszeit nach 2028 ermöglicht. Schließlich gab es ja eine Unterbrechung durch die Ära Biden, also darf er noch ein zweites Mal zu einer Wahl antreten. Es ist modern, die Gesetze neu zu interpretieren.


Das veraltete Wahlsystem, das dazu führt, dass eigentlich nur in wenigen Bundesstaaten ("Swing States") entschieden wird, wer Präsident wird, hat den Aufstieg der extremen Kräfte begünstigt. Bezeichnend für den katastrophalen Zustand, in dem sich das Land befindet, das einst stolz auf seine demokratische Tradition war, ist das Verhalten der Tech-Oligarchen. Nicht nur Elon Musk, auch die anderen Super-Milliardäre von Jeff Bezos bis Mark Zuckerberg, ursprünglich Kritiker der "MAGA"-Bewegung und dessen Erfinder, kriechen zu Kreuze und biedern sich dem Präsidenten an aus Angst, er könnte mit seinen Dekreten auch ihren Konzernen schaden. Man fragt sich ernsthaft, ob nicht das russische Modell einer Diktatur mit geduldeten Oligarchen Vorbild ist für die Veränderungen in der US-Gesellschaft.


Die Schichten, die ihn gewählt haben, werden weiter zu den Verlierern zählen


Ermöglicht haben diese Entwicklung natürlich die Wähler: Frustrierte Weiße, die einen sozialen und finanziellen Abstieg erlebt haben, sind eine Kernschicht. Es ist interessant zu beobachten, dass sie nicht begreifen wollen, dass die Trump-Politik für sie nichts übrig hat. Der Zoll-Wahn wird zu Verteuerungen von Produkten des täglichen Lebens führen. Die Steuerbegünstigungen für Reiche und Konzerne werden wohl kaum an die unteren sozialen Schichten weitergegeben. Die werden auch nicht jene Jobs antreten, die vielleicht frei werden, wenn die illegalen Einwanderer in Massen abgeschoben werden (was in der Praxis wohl nicht funktionieren wird). Denn Landwirtschaft, Pflege und andere Dienstleistungen funktionieren in den USA nur dank der Millionen an Migranten, die zwar einen Job und eine Existenz haben, aber keine legale Aufenthaltsberechtigung.


Sind solche Verhältnisse auch in Europa möglich? Gehen Populisten von rechts (und links), wenn sie einmal an die Macht kommen, einen ähnlichen Weg wie Trump? Dagegen spricht, dass wir in Europa reifere Demokratien haben. Der Bildungsgrad der Bevölkerung ist höher, die Verfassungen der Staaten sind moderner und lassen das nicht zu, was in den USA gerade passiert. Trotzdem ist es erschütternd, wieviele Wähler einer AfD und anderen extremen Parteien ihre Stimme geben. Man darf und muss unzufrieden sein mit einer demokratisch gewählten Regierung. Doch muss man deswegen glauben, dass es radikale Kräfte besser machen würden? In einer Welt von Hass und Kriegen, von sozialen Ungleichheiten, die zwangsläufig zu Migrationswellen führen, ist Europa noch immer ein Hort von Stabilität. Eine Friedensunion, die sich gegen Aggressoren stemmt. Schlimm genug, dass sich die Meinung durchsetzt, dass nur durch radikales militärisches Aufrüsten und Abschreckung der Frieden gewahrt werden kann. Was für eine Welt!



 
 

תגובות


bottom of page