Im Saal saßen etwa 200 Meinungsbilder, vorzugsweise aus dem mittleren Management. Sie durften über einen QR-Code am Handy abstimmen über die Frage, die sinngemäß lautete: Glauben Sie, dass die nächste Regierung die wirtschaftlichen Probleme unseres Landes lösen wird? Die Antwort kam ernüchternd und eindeutig. Fast 90% antworteten mit Nein. Da Raiffeisen zu dem Event eingeladen hatte, kann man davon ausgehen, dass der Großteil des Publikums aus ÖVP-Sympathisanten bestand. Der eine oder andere FPÖ oder Neos-Wähler wird wohl auch darunter gewesen sein. Ob von SPÖ oder Grünen viele vertreten war, darf bezweifelt werden.
Was sagt uns das? Eine Gruppe von gut gebildeten Österreichern bezweifelt offenbar jetzt schon die Lösungskompetenz der künftigen (Dreier-)Koalition. Dabei geht es - wie bei den US-Wahlen und wohl auch bei der bald stattfindenden Neuwahl in Deutschland - vor allem um Wirtschaftsthemen. "It´s the economy - stupid" - mit diesem Slogan gewann einst Bill Clinton die US-Wahlen. Es ist ein Hinweis darauf, dass die Wirtschaftslage Wahlen entscheidet. In letzter Zeit ist es vor allem die Unzufriedenheit mit dieser, die zu Protest-Votings führt und interessanterweise rund um den Globus Populisten wie Trump oder Kickl oder Le Pen in Frankreich zu Wahlerfolgen verhilft.
Doch zurück nach Österreich: Eine Umfrage, die der Politologe Peter Filzmaier vor der Nationalratswahl gemacht hat, brachte folgendes Ergebnis. 57 Prozent der Befragten beurteilten die Entwicklung unseres Landes in den letzten fünf Jahren als negativ. 2019 befanden das nur 32 Prozent. Das ist ein Faktum. Aber nur die ganz Naiven können ernsthaft glauben, dass Wahlsieger FPÖ am besten geeignet wäre, um unsere wirtschaftlichen Probleme von Teuerung über Rekorddefizit bis Rezession zu lösen. Dass ein Politiker "die Teuerung abschaffen kann", findet höchstens im Kasperltheater für ökonomische Analphabeten Applaus.
Wer hat Wirtschaftskompetenz in der künftigen Regierung?
Um wichtige und nötige Reformen aufzusetzen, die Experten ohnedies bereits seit vielen Jahren empfehlen, bedarf es natürlich einer gewissen Wirtschaftskompetenz in einer Regierung (und der Kraft, die Ideen auch durchzusetzen, aber darüber später). Wie sieht es bei den Kandidaten für die "Zuckerl-Koalition" damit aus?
Nun, der ÖVP sind gerade die Minister Kocher, Brunner und Edstadler abhanden gekommen, die eine gewisse Kompetenz hatten (ja, ich weiß, beim Thema Budget hat Brunner sich nicht mit Ruhm bekleckert, das lag an seiner politischen Schwäche). Übrig blieben vor allem Partei-Apparatschiks und jene, die sich danach richten, was sie aus manchen Bundesländern (vor allem aus St. Pölten) eingeflüstert bekommen.
Bei der SPÖ ist es mindestens genau so schlimm. Die links-linken Ideen von Parteichef Babler sind sogar für den Gewerkschaftsflügel zu radikal. In früheren Zeiten schafften es Topmanager aus der Privatwirtschaft an die Parteispitze wie ein Franz Vranitzky oder ein Viktor Klima. Mittlerweile ist die SPÖ für Wirtschaftstreibende fast schon unwählbar geworden.
Die Neos haben viele gute Ideen, die allerdings eines gemeinsam haben: Sie sind mit ÖVP und SPÖ nicht durchsetzbar, weil sie zu Nachteilen bei deren Stammklientel führen.
Von Ankündigungsriesen und Umsetzungszwergen
Damit kommen wir zum nächsten schwierigen Punkt, den die anfangs erwähnten Meinungsbildner rasch erkannt haben. Gehen wir einmal davon aus, dass die Verhandler der nächsten Koalition allen Unkenrufen über mangelnde Wirtschaftskompetenz zum Trotz ein Programm finden, das auf den ersten Blick ambitioniert klingt. Es wäre aber nicht die erste Regierung, in der Ankündigungsriesen schnell zu Umsetzungszwergen schrumpfen. Ein paar Beispiele: Förderungen durchforsten und reduzieren? Ja schon, aber bitte nicht in meinem Bundesland. Lohnnebenkosten senken? Ja, aber nicht die Kammerumlagen und nur, wenn die Beschäftigten auch weniger Steuer zahlen. Den Staatshaushalt sanieren? Natürlich, zum Beispiel mit neuen Erbschaftssteuern und höherer Mineralölsteuer. Und übrigens, die Länder brauchen dringend mehr Geld, für ihre Spitäler und die Pflege. Billiger Wohnraum muss her, eh klar. Aber die öffentliche Hand darf Grund und Boden nicht verschenken, schließlich braucht man die Einnahmen.
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